Feb 12, 2018
Ja, was passiert, wenn die Gefühle über die Ufer schwappen und
weshalb halten die Ufer den Wassermassen nicht stand?
Darum geht es bei dem „Bild“ des Toleranzfensters.
Dami Charf, eine der bekanntesten und großzügigsten
Traumatherapeuten Deutschlands (es gibt unzählige gratis Videos auf
YouTube von ihr), definiert Trauma folgendermaßen:
„Trauma ist eine
Selbstregulationsstörung“.
Als Babies hätten wir lernen sollen, uns zu regulieren, uns zu
beruhigen, uns wieder „in die Ruhe zu bringen“, Gefühle / Emotionen
zurück in die „Ufer“ zu regulieren.
Bei traumatisierten, psychisch kranken oder abwesenden Eltern
hat das wenig oder gar nicht passieren können!
Das Baby hat also NCHT gelernt, sich selbst zu regulieren,
weil es das nicht von selbst, sondern nur mit Hilfe der
Bezugsperson lernen hätte können.
Schreibabies, die nicht beruhigt werden konnten, verlassene
oder verwahrloste Babies und Babies, die Gewalt oder Mißbrauch
erlebt haben, konnten kein „normales, gesundes, starkes“ Flussbett
bilden, damit ihre Gefühle HALT finden und die Wassermassen sicher
zwischen den Ufern entlanggleiten können.
Die Emotionen und Gefühle schwappen also über die Ufer und
ziehen Überschwemmungen mit sich oder stauen sich im Laufe des
Lebens hinter einer Mauer als Staudamm auf!
Gefühle, die im Flussbett dahingleiten, sind „normale“ /
angebrachte Wut, Trauer, Ärger, Enttäuschung, Ekel, Freude und
Liebe.
Über den Ufern hinaus im „Überschwemmungsgebiet“ wird die Wut
zur Rage, die normale Trauer zu unauflösbarer, unfühlbarer,
unlebbarer Trauer, -> zur Depression und die Enttäuschung zu
Frust und Aggression und (Selbst)-verletzung. Süchte und andere
Maßnahmen, die helfen, diesen Zustand zu überleben, werden
herangezogen (16 bis 20 Stunden arbeiten, übermäßig Sport, TV,
Ablenkung um jeden Preis, Dauerberieselung, Vermeidung des
Alleinseins, „Sensation – Seeking“, ….).
In diesem Zustand sind die „Kampf- und Fluchtenergien“, die
der Organismus zur Verfügung gestellt hat, um während des Erlebten
zu kämpfen oder zu flüchten, in den Zellen gespeichert und können
nicht abgebaut werden.
- Ich bin immer auf 180
- Ich komme nicht runter
- Ich krieg mich nicht ein
- Ich kann nicht ruhig sein / nicht Ruhe geben
sind einige der Sätze, die solche Menschen sagen. Sie
„stecken“ im vom Symphatikus aktivierten Zustand fest.
Schlaflosigkeit, Flashbacks, Panikattacken,
Herz-Kreislaufprobleme, Herzinfarkt und andere
Stressfolgekrankheiten sind das Resultat dieses nicht aufgelösten /
nicht erlösten Traumatas.
Wenn man „unten“ aus dem Fenster fällt, fällt man in
die Dissoziation (siehe Traumakaskade –
nach der Kuppe kommt der Absturz in die Dissoziation).
Hier fühlen Menschen nichts, was während eines schlimmen
Erlebnisses auch gut ist. Jedoch im Alltag ist es weniger „schön“,
nichts zu fühlen.
Das Gefühl der Gefühllosigkeit wird
von Menschen als schlimmstes Gefühl der Welt bezeichnet. „Man fühlt
nichts!“ – Die Depression hat dieses
Gefühl unter seinen Diagnosekriterien stehen (ICD 10).
Die innere Leere ist ein
Markenzeichen dieses Zustands. Borderlinerinnen erzählen davon.
Alles ist leer. Es ist nichts da. Einfach nichts. Ich sehe
niemandem im Spiegel. Ich bin gar nicht da. Keine Ahnung, wer das
ist ….
Sie spüren sich nicht, ritzen sich, schneiden sich mit Messern
oder Glasscherben, um endlich wieder was zu fühlen.
Der „Kick“ wenn das Blut fließt – der Körper schüttet
natürlich Adrenalin aus, wenn er so gewalttätig beschädigt wird –
ist schön, ein Lusterlebnis, das auch viele
„Sensation Seekers“ beim Fallschirmsprung oder beim Bungee Jumping
oder noch gefährlicheren Dingen spüren. Deswegen gehen Menschen
auch hier immer weiter…. Der Kick ist notwendig, um
sich selbst zu fühlen!
Während die „Störungen“ am oberen Ende des Fensters:
- ADHS
- Schlafstörungen
- Panikattacke
- Psychosomatische Störungen (Herz-Kreislauf, Magen-Darm,
Kopfweh, Rückenverspannungen,….)
lauten, finden wir „unter“ dem Fenster:
- Dissoziation (und daraus resultierende Störungen: siehe
„Kontinuum der Dissoziation“: Anpassungsstörung, akute
Belastungsstörung, PTBS, Komplexe PTBS, DIS (multiple
Persönlichkeit))
- Innere Leere
- Gefühllosigkeit
- Gedächtnisprobleme, Denkprobleme
- Scham
- Depression
Schuld ist überall zu finden, auch das ist für mich ein
Kennzeichen für „Trauma“, wenn unerklärliche Schuldgefühle und
Scham vorhanden sind!
Hypersensible und Hypersensitive sind
übrigens meiner Meinung nach genauso „Traumatisierte“,
wie Hyperaktive.
Alles erklärbar mit dem „Window of Tolerance“…
Die Lösung ist, die (Selbst-)Regulationsfähigkeit
herzustellen, das „Social Engagement
System“ einzuschalten (siehe nächster Podcast) und
die Kontaktfähigkeit zu sich selbst und zu anderen
Menschen, der mit der Mutter fehlte oder durch ein
„traumatisierendes Erlebnis“ zerstört wurde, wieder
herzustellen.
Sicherheit, Vertrauen und Halt zu
geben, ist deswegen für uns Therapeuten oberstes Gebot! Ohne
Sicherheit, ist kein Lernen, ohne Sicherheit ist kein Vertrauen und
ohne Sicherheit ist kein Zulassen der Gefühle möglich!
Die Ufer zu befestigen, stark zu machen, höher zu machen, die
Dämme langsam abzubauen, damit die Wassermassen wieder im Flussbett
dahinfließen können (Gefühle fühlen lernen…) und
(eventuell) die Folgen der Überschwemmungskatastrophe zu erkennen
und aufzuräumen, ist Arbeit der Traumatherapeuten.
Bei einem Schocktrauma (nur einmal ist was passiert) geht das
meist sehr schnell (4 bis 6 Stunden), bei einem Entwicklungstrauma
(vernachlässigte, abgelehnte, misshandelte oder mit Gewalt
behandelte Kinder) dauert es natürlich meist viel länger.
Einige Therapiemethoden helfen rasch bei ersterem, andere sind
auch gut für zweiteres.
Dazu komme ich im nächsten Podcast: „Traumaheilung“ – die
verschiedenen Methoden!
The Work von Byron Katie kann uns
erfahrungsgemäß bei beiden Arten von Trauma unterstützen, bzw. den
Weg zeigen – dazu komme ich in der nächsten Folge.
Die Heilung des Inneren Kindes habe
ich speziell für traumatisierte Menschen entwickelt, es „hilft“
aber auch nicht traumatisierten, ihre „inneren Kinder“ zu
integrieren.
Aus verschiedenen Traumatherapiemethoden hat Eva Nitschinger in
den letzten Jahren die "Heilung des Inneren Kindes" entwickelt. Sie
ist eine Möglichkeit, dem verletzten Selbst mit Liebe zu begegnen
und auf liebevolle und einfühlsame Art und Weise, die "inneren
Kinder" - Verletzungen und Traumatisierungen der Vergangenheit -
ins Herz zu holen. Das Programm "Selbstliebe & Vertrauen", das auf
diesen Methoden basiert, gibt es online über www.eva-nitschinger.de
zu buchen. Eva Nitschinger ist Psychologin, Heipraktikerin für
Psychotherapie, systemische Therapeutin (Familienaufstellungen),
Begleiterin und Trainerin für The Work von Byron Katie und Wingwave
/ EMDR-Therapeutin in eigener Praxis in Saarbrücken (seit
2010).